Daniela Nebel: Conchita Wurst und das IPR – Die Einführung des § 22 Abs. 3 PStG


Conchita Wurst. Wer kennt sie nicht, die Gewinnerin des Eurovision Songcontest, deren Erscheinungsbild bei so Manchem für große Verwirrung sorgte. Bis auf Ihren Bart sieht Conchita Wurst aus wie eine Frau. Blickt man hinter die Fassaden, so verbirgt sich hinter diesem verwirrenden Erscheinungsbild ein Mann, welcher sich als ein Mensch fühlt, der genau zwischen dem Geschlecht männlich und weiblich steht. Eine Form von Intersexualität.

Allerdings ist Intersexualität nicht nur durch Conchita Wurst zu einem Thema in Deutschland geworden. Vielmehr ist bereits am 1. November 2013 ein neues Gesetz in Kraft getreten, welches es erlaubt, den Geschlechtseintrag bei Geburt eines Kindes offenzulassen, sofern nicht eindeutig festgestellt werden kann, welchem Geschlecht das Kind zuzuordnen ist. Eine Nachholung des Geschlechtseintrags ist nicht zwingend erforderlich, das Geschlecht kann daher bis zum Lebensende der Person unbestimmt bleiben. Bei der hier angesprochenen Form der Intersexualität sind wir bei einer weiteren, durchaus umfassenderen Form, die in biologischen Hintergründen wurzelt. So gibt es Menschen, deren Geschlecht sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale aufweist. Durch die Einführung des § 22 Abs. 3 PStG werden intersexuelle Menschen erstmals im deutschen Rechtssystem berücksichtigt. Durch die Möglichkeit das Geschlecht auf unbestimmte Zeit unbestimmt zu lassen werden jene Menschen akzeptiert, die auch als intersexuelle Person leben möchten. Zwar stellt diese Akzeptanz einen großen Fortschritt dar, allerdings ist trotz der Gesetzesreform von einem dritten rechtlichen Geschlecht, wie es in anderen Ländern wie z.B. in Neuseeland bereits der Fall ist, noch lange nicht die Rede. So ergibt sich für intersexuelle Menschen, dass sie unter einem rechtlichen Aspekt einerseits berücksichtigt werden und andererseits ihr Geschlecht aber aufgrund der Zweigeschlechtlichkeit im deutschen Rechtssystem nicht existiert. Dadurch werden weitreichende und nicht unerhebliche Probleme hinsichtlich der rechtlichen Behandlung derer geschaffen.

Insbesondere im Bereich des internationalen Familienrechts bestehen einige noch ungeklärte Fragen. Zum einen ist fraglich, wie es rechtlich zu behandeln ist, wenn eine nach beispielsweise neuseeländischem Recht intersexuelle Person in Deutschland mit einer anderen deutschen Person eine Ehe schließen bzw. eine Lebenspartnerschaft eingehen möchte. Die erste Frage, die es nun zu klären gilt, ist, ob nun neuseeländisches oder deutsches Recht angewandt wird. Eine eindeutige Lösung hierfür gibt es nicht, denn eine Kollisionsnorm, die uns eine Antwort liefern könnte, gibt es lediglich für die Ehe im klassischen Sinne zwischen Mann und Frau (Art. 13 EGBGB) oder für die Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft (§ Art. 17b EGBGB). Wird diese Streitigkeit mit dem Ergebnis gelöst, dass deutsches Recht angewandt wird, so stellt sich die weitere Frage, wie eine nach neuseeländischem Recht intersexuelle Person nach deutschem Recht eine Ehe schließen bzw. eine Lebenspartnerschaft eingehen kann. Unter dem Aspekt, die Ehe in ihrer klassischen Form beizubehalten, ist es nicht möglich die Ehe als eine Verbindung von zwei verschieden geschlechtlichen Partnern wie z.B. zwischen einem weiblichen bzw. männlichem und einem intersexuellen Partner zu betrachten, sondern lediglich als eine Verbindung von einem Mann und einer Frau. Auch eine Lebenspartnerschaft kann lediglich von zwei gleichgeschlechtlichen Partnern eingegangen werden. Nachdem eine dritte Geschlechterkategorie in Deutschland nicht existiert, kann eine nach neuseeländischem Recht intersexuelle Person bei der Anwendung von deutschem Recht weder eine Ehe schließen noch eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Dreht man die Situation nun um, und eine deutsche intersexuelle Person, also eine Person ohne Eintragung im Geburtenregister, möchte eine andere ausländische Person z.B. in Neuseeland heiraten, ist dies auch nicht ohne weiteres möglich. Grundsätzlich knüpft die Ehe dort auch an das Geschlecht an, ist aber zwischen allen Geschlechtern, unter anderem zwischen Intersexuellen, möglich. Allerdings wird das Geschlecht einer Person nach Ihrem Heimatrecht bestimmt. Demnach kann auch der deutsche Intersexuelle in Neuseeland keine Ehe schließen, da der deutsche Intersexuelle nach deutschem Recht keinem Geschlecht, also weder dem männlichem noch dem weiblichem, zugeordnet ist.

Zum anderen ergeben sich weitere Problematiken hinsichtlich des Abstammungsrechts eines in Deutschland lebenden Kindes, von welchem ein Elternteil eine Person mit dem nach ausländischem Recht anerkannten Geschlecht intersexuell ist. Bei dieser Konstellation ist gemäß Art. 19 EGBGB deutsches Recht anzuwenden. Hierbei ergibt sich, dass die Normen des Bürgerlichen Gesetzbuches sich auf das Geschlecht einer Person beziehen. Daher ist die Mutter eines Kindes gemäß § 1591 BGB lediglich die Frau, die das Kind geboren hat und Vater gemäß § 1592 BGB der Mann ist, der entweder zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (Nr. 1), der die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2) oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (Nr. 3). Entsprechend dem Wortlaut der beiden Normen könnte eine intersexuelle Person weder eine Mutter- noch eine Vaterschaft begründen, obwohl beides aus biologischer Sicht tatsächlich möglich ist.

Letztendlich hat der Gesetzgeber durch die Einführung des § 22 Abs. 3 PStG einen ersten Schritt auf den Umgang mit Intersexualität in der deutschen Rechtsordnung gemacht. Allerdings wurden die Auswirkungen dieser Gesetzeseinführung nicht hinreichend bedacht. Immer wieder stößt man auf offene Fragen. Daher sollte der Gesetzgeber weiterhin in diesem Bereich tätig sein und auf der Einführung des § 22 Abs. 3 PStG aufbauen. Denkbar ist es, trotz des enormen Verwaltungsaufwands, auch in Deutschland eine dritte Geschlechtskategorie einzuführen, denn intersexuelle Menschen dürfen aufgrund ihrer genetischen Unterschiede nicht schlechter gestellt sein als alle anderen Menschen.

Daniela Nebel


Daniela Nebel ist Studentin an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie hat den Schwerpunktbereich Internationales, Europäisches und Ausländisches Privat- und Verfahrensrecht gewählt und im Seminar von Frau Professor em. Dr. Dagmar Coester-Waltjen, LL.M. (Michigan) und Dr. Philipp M. Reuß, MJur (Oxford) im Sommersemester 2014 eine Seminararbeit zum Thema „Die Auswirkungen des Wegfalls der Pflicht zur Registrierung des Geschlechts im Geburtenregister gemäß § 22 Abs. 3 PStG auf das internationale Privatrecht“ verfasst.

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