Der Gender_Gap kommt ins Gesetz


Gesetzesvorhaben2Seit einiger Zeit hat sich in der Linguistik eine Strömung entwickelt, die sich mit Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache befasst. Wir alle kennen Schreibweisen, wie „StudentInnen“ oder „Professor(innen)“, die für eine Gleichstellung von Männern und Frauen auch in der täglichen Nutzung der Sprache sorgen sollen. Teilweise hat sich auch ein sogenannter Gender_Gap eingebürgert. Der „_“ ermöglicht es auch jenseits der Zweigeschlechtlichkeit denjenigen Personen gerecht zu werden, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können (sogenannte Intersexuelle oder Hermaphroditen).

Der Gender_Gap hat nun auch seinen Weg in das deutsche Recht gefunden. Nicht, dass man fortan verpflichtet wäre seine Rechtschreibung anzupassen. § 22 Abs. 3 des Personenstandsgesetzes (PStG) führt den Gender_Gap lediglich für das Personenstandsrecht ein. Ab dem 1. November 2013, dem Datum des Inkrafttretens der Norm, ist es nicht mehr erforderlich das Geschlecht eines Kindes bei dessen Geburt in das Geburtenbuch einzutragen, wenn dieses weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Das Geschlecht muss auch nicht nachgetragen werden und kann auf unbestimmte Zeit unbestimmt bleiben.

Aber was heißt „lediglich für das Personenstandsrecht“! Die Geschlechterzuordnung hat weitreichende Folgen, etwa für die Frage der Mutter- oder Vaterschaft. Gemäß § 1591 BGB ist Mutter die Frau, die das Kind geboren hat. Die Vaterschaft entfällt auf den Mann, der (a) zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, oder (b) den Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, oder (c) den Mann, dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (§ 1592 Nr. 1-3 BGB). Personen unbestimmten Geschlechts können daher nach dem schlichten Wortlaut dieser Normen weder Mutter noch Vater werden. Es stellen sich weitere Fragen, etwa bei der Möglichkeit der Eheschließung. Die Ehe iSd Art.6 Abs. 1 GG wird verstanden als die Gemeinschaft von Mann und Frau. Auch eine Ehe kann daher von Personen des unbestimmten Geschlechts nicht eingegangen werden, da sie weder Mann noch Frau sind. Die Probleme setzen sich fort bei der Lebenspartnerschaft nach dem LPartG. Eine Lebenspartnerschaft können nur Personen des gleichen Geschlechts begründen (vgl. § 1 Abs.1 LPartG). Streng genommen ist eine Begründung einer Lebenspartnerschaft zwar möglich, allerdings nur dann, wenn man erstens das unbestimmte Geschlecht auch als dritte Geschlechtskategorie begreift und zweitens die Lebenspartnerschaft von zwei Personen des unbestimmten Geschlechts begründet werden soll.

Dies alles lässt darauf schließen, dass die Wirkungen der Einführung des § 22 Abs. 3 PStG nicht vollständig vom Gesetzgeber durchdacht sind. Mit der Einführung wollte der Gesetzgeber sich jedenfalls des Problems der Intersexualität von Menschen annehmen (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 17/12192 S. 11). Dieses wohlgemeinte Ansinnen ist sicherlich zu befürworten, die rechtliche Umsetzung ist allerdings zu kritisieren.

Bislang hat das Thema noch keine großen Wellen geschlagen. Heribert Prantl hat sich in der Süddeutschen Zeitung vom 16. August 2013 dem Thema kritisch angenommen. Eine wissenschaftliche Betrachtung findet sich in Heft 15 der FamRZ 2013. Der Autor Wolf Sieberichs spricht sich in dem lesenswerten Beitrag für eine (eingeschränkt) analoge Anwendung jener Gesetzesbestimmungen aus, die nicht geschlechtsneutral gehalten sind. Der Gesetzgeber hat wohl mit der Einfügung des § 22 Abs. 3 PStG mehr Probleme geschaffen als er einer Lösung zugeführt hat, was zu bedauern ist. Hier sollte nachgebessert werden.

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