Felicitas Weber: Das Samenspenderregistergesetz – ein kritischer Blick


Bis vor einigen Jahrzehnten schien es noch unmöglich, dass die Frage, wer die Eltern eines Kindes seien, nicht eindeutig beantwortet werden kann. Die heutige Realität zeigt jedoch immer häufiger, dass Mutter nicht immer gleich Mutter und Vater nicht immer gleich Vater ist. In Zeiten von Leihmutterschaft, Eizellen- und Samenspende wird es immer komplexer, die Eltern eines Kindes treffsicher zu bestimmen. Genetische, biologische, soziale und rechtliche Elternschaft sind heute immer öfter auf mehrere Personen verteilt. Die Soziologie spricht hierbei von einer Pluralisierung von Elternschaft. Eine besondere Brisanz erlangt die Bestimmung der Eltern eines Kindes vor dem Hintergrund, dass das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung als immer bedeutsamer gewichtet wird.[1]

Diese Ausübung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung, welches als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG grundrechtlich verankert ist, soll und muss gerade den Personen ermöglicht werden, deren rechtliche Eltern nicht mit den genetischen übereinstimmen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Entscheidungen das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung als äußerst wichtiges Gut statuiert hat, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch der Gesetzgeber der Thematik widmen würde.[2]

Dies ist nun im Bereich der Samenspende erfolgt, indem der Bundestag am 17.7.2017 das Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen (SaRegG) beschlossen hat. Dieses hat zum Ziel, die Durchsetzung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung auch den Personen zu ermöglichen, die mit Hilfe einer Samenspende gezeugt wurden.

A.    Darstellung der gesetzlichen Regelung

Das SaRegG beinhaltet im Wesentlichen drei entscheidende Teile: zum einen wird mit dem Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) eine zentrale Auskunfts- und Anlaufstelle bestimmt (§ 1 I SaRegG), an die sich betroffene Personen wenden können, um Auskunft über Ihre genetischen Wurzeln zu erlangen. Zudem werden Informations- und Belehrungspflichten für den Samenspender und die Empfängerin der Samenspende festgelegt (§§ 2, 4 SaRegG) und schließlich als Kerngedanke des Gesetzes den Betroffenen ein Auskunftsanspruch gegenüber dem DIMDI gewährt (§ 10 SaRegG).

Mit dem in § 10 des SaRegG geregelten Auskunftsanspruch versucht der Gesetzgeber das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung wirksam durchzusetzen. Nach der Vorschrift hat eine Person, die vermutet, durch die heterologe Verwendung von Samen gezeugt worden zu sein, einen Anspruch auf Auskunftserteilung aus dem Samenspenderregistergesetz. Dieser Auskunftsanspruch bezieht sich auf sog. „personenbezogene Daten“ des Spenders. Diese Daten, welche u.a. Namen und Anschrift des Spenders beinhalten, muss der Samenspender, wenn er zur Spende antritt, der entsprechenden Entnahmeeinrichtung mitteilen. Die Entnahmeeinrichtung leitet die Daten schließlich an das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information weiter, wo sie gespeichert werden (§ 6 IV SaRegG).

Als Pendant zu der Pflicht des Spenders, die personenbezogenen Daten abzugeben, ist wiederum die Empfängerin der Samenspende verpflichtet, der Entnahmeeinrichtung ihre personenbezogenen Daten sowie die Geburt des Kindes mitzuteilen (§ 4 SaRegG), welche ebenfalls an das DIMDI übermittelt werden (§ 6 SaRegG).

Mit der Bestimmung des DIMDI als zentrale Informationsstelle erhofft man sich, dass die betroffenen Personen zielgerichtet nach ihrer Abstammung fragen können und nicht erst zahlreiche Anfragen an unterschiedliche Entnahmestellen richten müssen.

Mit dem Beschluss des SaRegG ging zudem eine Änderung des § 1600d BGB einher, die wichtige Neuerungen brachte. Bisher bestand für den Samenspender das durchaus nicht zu vernachlässigende Risiko, dass seine Vaterschaft gem. § 1592 Nr. 3 i.V.m. § 1600d BGB gerichtlich festgestellt wurde. Um einen besseren Schutz der Samenspender vor derartigen Feststellungen zu ermöglichen, wurde der neue § 1600d IV BGB eingeführt. Demnach ist eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft i.S.d. § 1592 Nr. 3 BGB dann ausgeschlossen, wenn der Samen über eine Samenbank i.S.d. § 2 I S. 1 SaRegG bezogen wurde und die Zeugung im Rahmen einer ärztlich unterstützen Befruchtung vorgenommen wurde. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann der Samenspender zwar die Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB anerkennen, er läuft aber nicht mehr Gefahr, dass seine Vaterschaft gegen seinen Willen durch gerichtliche Feststellung erfolgt.

Zeitlich ist das SaRegG nur auf Samenspenden anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten am 1.7.2018 erfolgen. Auf Altfälle erstrecken sich weder die Regelungen des SaRegG noch die Neufassung des § 1600d IV BGB (vgl. Art. 229 § 46 EGBGB n.F.).

B.    Kritikpunkte

Obwohl es das SaRegG im Falle von Samenspenden ermöglicht, den Betroffenen Personen ihr Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung durchzusetzen, gibt es durchaus Kritikpunkte.

I. Rechtliche Zuordnung der Elternschaft

Die Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist darauf ausgelegt, jedem Kind möglichst schnell und sicher zwei Elternteile zuzuordnen. Dies ergibt sich schon aus der Systematik des § 1592 BGB, der im Interesse der Statusklarheit objektive Anknüpfungspunkte bereitstellt[3]. Nach der Intention des Gesetzgebers sollen einem Kind möglichst früh, d.h. im Zeitpunkt der Geburt, zwei Elternteile zugeordnet werden, um zum einen die (auch monetäre) Versorgung des Kindes zu gewährleisten, zum anderen soll aber auch das Statusverhältnis, das sich auch auf andere Rechtsbereiche auswirkt, schnell geklärt sein.

Wenn nun aber die Vaterschaft des Samenspenders gem. § 1600d BGB nicht festgestellt werden kann, müssten andere Wege gefunden werden um der Intention des Gesetzgebers nachzukommen. Von großer Bedeutung ist diese Frage in Fällen, in denen  die Eltern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenleben oder wenn eine alleinstehende Frau eine Samenspende erlangt.

Im Fall einer verschiedengeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft könnte der Mann, der die Samenspende zunächst bejaht hat, sich dann aber aus irgendwelchen Gründen gegen das gemeinsame Kind und die Vaterschaftsanerkennung entscheidet, nach den bisherigen gesetzlichen Regelungen nicht als Vater des Kindes festgestellt werden. Die Vorschrift des § 1592 BGB liefe leer, da die Eltern weder verheiratet sind (Nr. 1), der Mann die Anerkennung nicht vornimmt (Nr. 2) und die gerichtliche Feststellung des § 1600d BGB (Nr. 3) in Ermangelung eines Feststellungsgrundes (Bestehen einer genetischen Vaterschaft) nicht greift.

Bei Vorliegen einer gleichgeschlechtlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist die gebärende Frau nach § 1591 BGB zwar Mutter des Kindes, ihre Partnerin kann den Elternstatus hingegen nur über eine Adoption erreichen. Da § 1592 BGB von „Mann“ spricht, steht die Vaterschaftsanerkennung einer Frau nicht offen. Für den umgekehrten Fall, dass zwei Männer ein Kind erhalten, das mit dem Samen des einen Mannes gezeugt wurde, ist es nicht möglich, dem Partner im Wege der Anerkennung eine Elternschaft zuzusprechen. Auch er muss, wenn möglich, eine Adoption veranlassen.

Empfängt hingegen eine alleinstehende Frau eine Samenspende, steht schon gar kein Mann zur Verfügung, der die Vaterschaft anerkennt. Zwar könnte hier später ein Partner hinzutreten, der eine Anerkennung vornimmt, allerdings ist dies nicht garantiert und eine ausreichende Versorgung des Kindes könnte bis zu diesem Zeitpunkt unter Umständen gefährdet werden.

Diese Konstellationen zeigen, dass es durchaus nicht immer so einfach ist, die Absicherung eines Kindes durch das Vorhandensein von zwei rechtlichen Elternteilen zu ermöglichen. Um dem Kind dennoch zu zwei rechtlichen Eltern zu verhelfen, kommen mehrere Lösungsansätze in Frage.

Im Deutschen Juristentag 2016 wurde die Möglichkeit diskutiert, dass demjenigen das Kind zugeordnet wird, der mit Zustimmung der Mutter in die Befruchtung eingewilligt hat. Zum anderen könnte man § 1600d BGB dahingehend abändern, dass eine gerichtliche Feststellung desjenigen möglich ist, der mit Zustimmung der Mutter in die Befruchtung eingewilligt hat.[4]

Bei gleichgeschlechtlichen Paaren könnte man zudem überlegen, ob man die abstammungsrechtlichen Regeln zur Vaterschaft entsprechend anwendet oder eine Möglichkeit schafft, dass die Partnerin der Mutter die Elternschaft schon mit Geburt des Kindes erlangt.

II. Einbeziehung von Embryonen- und Eizellenspenden

Ein weiterer Kritikpunkt ergibt sich aus dem sachlichen Anwendungsbereich des SaRegG, welches nur auf Samenspenden anwendbar ist. Wie sind aber die Fälle zu beurteilen, in denen übriggebliebene Embryonen oder befruchtete Eizellen im Vorkernstadium an Paare mit Kinderwunsch weitergegeben werden?

Solche „übriggebliebenen“ Eizellen oder Embryonen entstehen dadurch, dass für eine künstliche Befruchtung einer Frau mehrere Eizellen entnommen werden. Diese werden dann befruchtet oder unbefruchtet, stellen sich aber als nicht stark genug heraus, um der Frau, der sie entnommen wurden, wieder eingesetzt zu werden. Nicht selten lassen Paare solche Eizellen oder Embryonen im Vorkernstadium einfrieren, um eventuell später darauf zurückzugreifen.

Nach Stand des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) ist es nicht strafbar oder verboten, solche „übriggebliebenen“ Eizellen oder Embryonen im Vorkernstadium zu spenden. Was aber passiert mit dem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung dieser Kinder? Auch diese wollen unter Umständen erfahren, wer ihre genetischen Eltern sind. Indem man für Personen, die aus einer solchen Befruchtung hervorgegangen sind, keine dem SaRegG entsprechende Regelung hat, besteht dringender Nachbesserungsbedarf.

III. Grenzüberschreitende Sachverhalte

Zu guter Letzt stellt sich auch die Frage, wie bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu verfahren ist. So ist es durchaus denkbar, dass sich ein Paar auf der Suche nach Erfüllung ihres Kinderwunsches in das benachbarte Ausland begibt, um unbürokratisch und schnell an eine Samenspende zu gelangen.

Das SaRegG bestimmt zwar, dass bei der Verwendung von Samen aus dem Ausland die Entnahmestelle, von dem der Samen bezogen wurde, ebenfalls zur Einholung und Weiterleitung der personenbezogenen Daten verpflichtet ist (§ 5 I S. 2 SaRegG). Wie aber sind die Sachverhalte handzuhaben, in denen der ganze Vorgang der Befruchtung im Ausland stattfindet?

Hier müsste man sich die Frage stellen, ob der Gesetzgeber nicht auch verpflichtet ist, einen Schutz des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung zu errichten. Wird dies nicht vorgenommen, besteht die Gefahr, dass Eltern bewusst den Weg in das Ausland wählen um auch weiterhin einen Mantel der Verschwiegenheit über die Herkunft des Kindes zu breiten.

C. Aussicht

Mit dem SaRegG hat der Gesetzgeber einen ersten Schritt getan, um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung effektiver durchsetzen zu können.

Schon in der Beratung im Bundestag kam aber zum Ausdruck, dass im Bereich des Abstammungsrechts eine umfassende Neuregelung notwendig ist, um möglichst viele Sachverhalte und Konstellationen zu erfassen.[5] Ob und wann es gelingen wird, eine solche umfassende Änderung vorzunehmen, ist fraglich.

Bis dahin besteht aber zumindest für Personen, die im Wege der Samenspende gezeugt wurden die Möglichkeit, Informationen über ihre genetische Abstammung zu erhalten.


Felicitas Weber ist Studentin der Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München und studentische Hilfskraft am Institut für Internationales Recht – Rechtsvergleichung (Lehrstuhl Professor Dr. Stephan Lorenz).

[1] Vgl. BGH, Urteil v. 28. Januar 2015 – XII ZR 201/1; OLG Hamm, Urteil v. 6.2.2003, I – 14 U7/12.

[2] Vgl. BVerfG, Urteil vom 31-01-1989 – 1 BvL 17/87; Beschluss vom 26-04-1994 – 1 BvR 1299/89, 1 BvL 6/90;  m.w.N. Beck-OK, Informations- und Medienrecht/Gersdorf, Art. 2 GG, Rn. 15.

[3] Vgl. Beck-OK/Hahn, § 1592 BGB, Rn. 1 f..

[4] Vgl. http://www.djt.de/fileadmin/downloads/71/Beschluesse_gesamt.pdf ,S. 40.

[5] Vgl. http://www.di-netz.de/bundestag-beschliest-samenspenderregistergesetz-gesetzgebung-teil-18/

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