Katharina Kaesling: Dem Kind ein Vater, dem Vater ein Aufenthaltsrecht? – Zur Prävention missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen nach § 1597a BGB und § 85a AufenthG


Im Juli 2017 schuf der Gesetzgeber ein neues System zur Verhinderung von Vaterschaftsanerkennungen nichtleiblicher Väter mit dem Ziel, ein Aufenthaltsrecht für Mutter, Kind oder Anerkennenden zu schaffen. Dieser Beitrag befasst sich kritisch mit der Neuregelung.

I. Anerkennung der Vaterschaft

Durch die Anerkennung der Vaterschaft bekommt ein bis dahin vaterloses Kind einen (zweiten) Elternteil (§§ 1594, 1592 Nr. 2 BGB). Der Anerkennende wird regelmäßig innerhalb weniger Minuten vor Standesbeamtem, Notar oder anderer Urkundsperson infolge seiner Anerkennungserklärung mit Zustimmung der Mutter und ggf. des Kindes, wenn die Mutter nicht die elterliche Sorge innehat, rechtlicher Vater. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Kind auch genetisch vom Anerkennenden abstammt. Die so begründete Vaterschaft hat weitreichende Konsequenzen für verschiedenste Rechtsbereiche wie Unterhaltsrecht, Erbrecht, Sozialrecht, Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrecht.

II. Neuregelung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen durch das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht

Mit dem Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20.7.2017[1] wurden die aufenthaltsrechtlichen Auswirkungen der Vaterschaftsanerkennung in den Vordergrund gerückt. Berichten der Rundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg (rbb) zufolge sollen in Berlin innerhalb einiger Monate rund 700 Männer mit deutscher Staatsangehörigkeit gegen Bezahlung die Vaterschaft von Kindern ausländischer Schwangerer anerkannt haben.[2] Zur Verhinderung solcher „Scheinvaterschaften“ wurde mit § 1597a I BGB n.F. ein zivilrechtliches Verbot der missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft zur Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile normiert. Umfasst sind ausdrücklich auch Vorteile infolge des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit (vgl. § 4 I, III StAG).

III. Zweistufiges Verfahren zur Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen

Bei Beteiligung eines Ausländers kann aus einigen Minuten Belehrung, Erklärung und Beurkundung ein langwieriges Verfahren vor Urkundspersonen und Ausländerbehörden werden.

1. Verfahren vor den Urkundspersonen

Die Urkundspersonen haben nach § 1597a II BGB einzuschätzen, ob Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung vorliegen. Ein entsprechendes Anzeichen ist nach § 1597a II 2 Nr. 1 und 2 BGB bereits gegeben, wenn Anerkennender, Kind oder Mutter vollziehbar ausreisepflichtig ist oder einen Asylantrag gestellt hat und die Staatsangehörigkeit eines sicheren Herkunftsstaates besitzt. Ferner sind relevante Indizien das Fehlen persönlicher Beziehungen zwischen Anerkennendem und Mutter oder Kind (Nr. 3), vorangehende mehrfache aufenthaltsrechtlich relevante Vaterschaftsanerkennungen (Nr. 4) und das Versprechen bzw. die Gewährung eines Vermögensvorteils (Nr. 5).

Ob und inwieweit die Beurkundungspersonen eine Nachforschungspflicht hinsichtlich dieser Anzeichen haben, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird eine Amtspflicht zur Prüfung und Ermittlung vor Beurkundung angenommen;[3] während andere jegliche Nachforschungspflicht ablehnen.[4] Im Rundschreiben des BMI und des BMJV heißt es hierzu, die beurkundende Behörde prüfe, ob derartige konkrete Anhaltspunkte vorliegen.[5] Das deutsche Notarinstitut empfiehlt jedenfalls die Erstellung einer Negativliste über das Nichtvorliegen entsprechender Anhaltspunkte in Fällen, in denen ein Missbrauch „entfernt möglich erscheint“.[6]

Gemäß § 1597a V BGB kann die Vaterschaftsanerkennung aber nicht missbräuchlich sein, wenn der Anerkennende der leibliche Vater des anzuerkennenden Kindes ist. Bei Ausländerbeteiligung kommt der genetischen Abstammung also herausragende Bedeutung zu. Die genetische Abstammung kann grundsätzlich mit einem entsprechenden Gutachten nachgewiesen werden. Bei einer vorgeburtlichen Anerkennung scheiden entsprechende genetische Tests allerdings aus (vgl. § 15 GenDG).

Gelangt die beurkundende Stelle zur Überzeugung, dass konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch gegeben sind, so hat sie dies nach Anhörung des Anerkennenden und der Mutter der nach § 85a AufenthG zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen und die Beurkundung auszusetzen (§ 1597a II BGB). Hiergegen stehen keine Rechtsmittel zur Verfügung.

2. Verfahren vor den Ausländerbehörden

Die Ausländerbehörde prüft dann, ob ein Missbrauchsfall vorliegt. Ein solcher wird widerlegbar vermutet, wenn ein entsprechendes Geständnis des Anerkennenden oder der Mutter vorliegt (§ 85a II Nr. 1 und 2 AufenthG), der gewünschten Anerkennung mehrfache Anerkennungen von Kindern ausländischer Mütter mit aufenthaltsrechtlichen Folgen vorausgingen (Nr. 3) oder ein Vermögensvorteil versprochen oder gewährt wurde (Nr. 4.). Im Übrigen obliegt es der Behörde, das Vorliegen eines Missbrauchsfalls zu beweisen, wobei der betroffene Ausländer nach § 82 I AufenthG zur Mitwirkung verpflichtet ist. Ergibt die Prüfung der Ausländerbehörde, dass die Anerkennung der Vaterschaft missbräuchlich ist, stellt die Ausländerbehörde dies durch Verwaltungsakt fest; andernfalls stellt sie das Verfahren ein (§ 85a I 2,3 AufenthG). Gegen den Verwaltungsakt ist allgemeiner verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegeben.

IV. Einordnung und Ausblick

Durch die Neuregelung der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen werden Abstammung und Staatsangehörigkeitserwerb von vornherein verhindert; es kommt nicht zu einem rückwirkenden Entzug von Rechtspositionen.[7] Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen daher nicht. Grundlegende Prinzipien des Abstammungsrechts werden aber nachhaltig eingeschränkt. Die grundsätzlich voraussetzungsarme Begründung der Vaterschaft durch Anerkennung wird bei Ausländerbeteiligung nachhaltig erschwert. Der genetischen Abstammung kommt eine weitaus gewichtigere Rolle zu. Sie tritt nicht – wie bei Vaterschaftsanerkennungen ohne Ausländerbeteiligung – hinter der Bereitschaft des Anerkennenden und ihrer Annahme durch Mutter und Kind zurück. Die Motive der beteiligten Erwachsenen können ein Ende der Vaterlosigkeit des Kindes verhindern. Obschon Gesichtspunkte des Kindeswohls bei jeglichem staatlichen Handeln vorrangig zu beachten sind (Art. 6 II 2 GG, Art. 24 EU-Grundrechtecharta; Art. 3 I UN-Kinderrechtskonvention), wird das Kind im Kontext der missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung primär als Mittel zum Zweck gesehen;[8] seine Interessen sind weder materiell- noch verfahrensrechtlich abgesichert.

[1] BGBl. I 2017, 2780.

[2] Meldung bei beck-online;  s. auch BT-Drs. 18/12415, S. 15.

[3] Schwonberg, StAZ 1/2018, 5,6.

[4] Grziwotz, MittBayNot 2018, 289, 290; Knittel JAmt 2017, 229, 241; zumindest gegen eine umfassende Ermittlungstätigkeit Balzer, NZFam 2018, 5, 6.

[5] BMI/ BMJV, Rundschreiben zur Anwendung der Gesetzesneuregelung zur Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen vom 21.12.2017.

[6] DNotI Report 2017, 153, 155.

[7] Im Gegensatz zur verfassungswidrigen behördlichen Anfechtung nach § 1600 I Nr. 5 BGB a.F. (BVerfG, NJW 2014, 1364).

[8] Hierzu näher Kaesling, NJW 2017, 3686 ff.


Dr. Katharina Kaesling, LL.M. Eur. (College of Europe) ist Habilitandin bei Prof. Dr. Nina Dethloff, LL.M. und wissenschaftliche Koordinatorin am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ an der Universität Bonn.

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