Österreichischer Verfassungsgerichtshof kippt Verbot der gemeinschaftlichen Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare


RSprech neu KopieDer Österreichische Verfassungsgerichtshof hat mit Urt. V. 11.12.2014 (Az. G 119-120/2014-12) entschieden, dass § 191 II 1 des österreichischen Allgemeinen Gesetzbuches (ABGB) und § 8 IV des Gesetzes über die Eingetragene Partnerschaft (EPG), die eingetragenen Partnern verwehren, ein Kind gemeinschaftlich zu adoptieren, mit dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und Art. 8 iVm 14 EMRK unvereinbar und somit aufzuheben sind. Die Aufhebung tritt am 31.12.2015 in Kraft.

§ 191 II 1 ABGB enthält die Regelung, dass die gemeinschaftliche Annahme eines Kindes durch zwei Personen nur dann möglich ist, wenn die Annehmenden miteinander verheiratet sind.

§ 191ABGB (1) Eigenberechtigte Personen können an Kindesstatt annehmen. Durch die Annahme an Kindesstatt wird die Wahlkindschaft begründet.

(2) Die Annahme eines Wahlkindes durch mehr als eine Person, sei es gleichzeitig, sei es, solange die Wahlkindschaft besteht, nacheinander, ist nur zulässig, wenn die Annehmenden miteinander verheiratet sind. Ehegatten dürfen in der Regel nur gemeinsam annehmen. Ausnahmen sind zulässig, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Eigenberechtigung oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn ähnliche und besonders gewichtige Gründe die Annahme durch nur einen der Ehegatten rechtfertigen.

(3) Personen, denen die Sorge für das Vermögen des anzunehmenden Wahlkindes durch gerichtliche Verfügung anvertraut ist, können dieses so lange nicht annehmen, als sie nicht von dieser Pflicht entbunden sind. Sie müssen vorher Rechnung gelegt und die Bewahrung des anvertrauten Vermögens nachgewiesen haben.

 

Daran anknüpfend bestimmt § 8 IV EPG, dass eingetragene Partner gemeinsam kein Kind adoptieren dürfen.

§ 8. (1) Die persönlichen Rechte und Pflichten der eingetragenen Partner im Verhältnis zueinander sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gleich.

(2) Die eingetragenen Partner sind einander zur umfassenden partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft und Vertrauensbeziehung, besonders zum gemeinsamen Wohnen, zur anständigen Begegnung und zum Beistand, verpflichtet.

(3) Die eingetragenen Partner sollen ihre Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander mit dem Ziel voller Ausgewogenheit ihrer Beiträge einvernehmlich gestalten. Von einer einvernehmlichen Gestaltung kann ein eingetragener Partner abgehen, wenn dem nicht ein wichtiges Anliegen des anderen entgegensteht oder, auch wenn ein solches Anliegen vorliegt, persönliche Gründe des einen Partners als gewichtiger anzusehen sind.

(4) Die eingetragenen Partner dürfen nicht gemeinsam ein Kind an Kindesstatt oder die Wahlkinder des jeweils anderen an Kindesstatt annehmen.

 

Das österreichische Recht diskriminiert durch diese Regelungen bislang eingetragene Lebenspartner mit Kinderwunsch gegenüber Ehegatten. Es schließt in seiner bislang geltenden Fassung kategorisch eine gemeinschaftliche Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare aus und knüpft die Unterscheidung somit indirekt an das Merkmal der sexuellen Orientierung.

Der ÖstVfGH sieht hierin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des österreichischen Verfassungsrechts und gegen Art. 8 iVm 14 EMRK. Da der österreichische Gesetzgeber gleichgeschlechtlichen Paaren die Elternschaft im Wege der Adoption generell eröffne, liege in dem Ausschluss der gemeinschaftlichen Adoption eine nicht rechtfertigbare Diskriminierung. Das Gericht führt hierzu aus:

6. Mit der angefochtenen Regelung, die eine gemeinsame Annahme an Kindesstatt nur für Ehegatten zulässt und eingetragene Partner als gemeinsame Adoptiveltern von vorneherein ausschließt, differenziert der Gesetzgeber für die Möglichkeit der gemeinsamen Annahme an Kindesstatt nach dem Merkmal der sexuellen Orientierung. Des weiteren schafft der Gesetzgeber damit eine Ungleichbehandlung zwischen eingetragenen Partnern als annehmende Vertragsteile eines Adoptionsvertrages und eingetragenen Partnern oder (gleich- oder verschiedengeschlechtlichen) Lebenspartnern im Fall der Stiefkindadoption. Während das angefochtene Verbot eine gemeinsame Adoptivelternschaft eingetragener Partner auch dann ausschließt, wenn beide ein Kind in Pflege haben oder ein Partner das Kind bereits adoptiert hat, ermöglicht das Gesetz bei der Stiefkindadoption durch Hinzutreten der vertraglichen Adoptionsbeziehung zum selben Kind die gleichzeitige rechtliche Elternschaft des leiblichen und des Adoptivelternteils. (Rn. 43)
Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlungen ist – insbesondere aus dem auch im Lichte des Art. 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern, BGBl. I 4/2011, gebotenen Blickwinkel des Wohles des Kindes – nicht gegeben. Weder nach Art. 8 iVm Art. 14 EMRK noch nach Art. 7 Abs. 1 B-VG ist es sachlich gerechtfertigt, eingetragene Partner grundsätzlich als gemeinsame Vertragspartner eines Adoptionsvertrages auszuschließen. (Rn. 44)

Insbesondere betont das Gericht das Kindeswohl. Dieses rechtfertigt keinen generellen Ausschluss gleichgeschlechtlicher Partner von der gemeinschaftlichen Adoption:

Grundsätzliche Bedenken, dass es dem Kindeswohl schlechthin abträglich sei, wenn es mit gleichgeschlechtlichen Eltern aufwächst, sind angesichts der bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen von vorneherein ungeeignet, die angefochtene Regelung zu rechtfertigen. So sind Konstellationen, in denen ein Kind zwei rechtliche Mütter – wie im Fall der gemeinsamen Tochter der Antragstellerinnen – oder auch zwei rechtliche Väter hat, nach den geltenden adoptionsrechtlichen Bestimmungen in der Fassung des Adoptionsrechts-Änderungsgesetzes 2013 nicht mehr grundsätzlich unzulässig (zur Stammfassung des EPG vgl. noch die Erläut. zur RV 485 BlgNR 24. GP, 9 f.). Folglich ist nicht
ersichtlich, inwiefern im Unterschied dazu gerade bei der Adoption eines Kindes durch zwei Personen mit der Wirkung, dass beide die rechtliche Elternschaft zu einem von ihnen biologisch nicht abstammenden Kind begründen, dem Kindeswohl nur dadurch entsprochen werden könne, dass die Adoption die biologische Abstammung eines Kindes von zwei Personen verschiedenen Geschlechts gewissermaßen nachbildet (siehe noch EB RV 107 BlgNR 9. GP, 11). (Rn. 47)
Ein Verfassungsverstoß liegt somit nach Ansicht des Gerichts vor. Die gesetzlichen Regelungen werden mit Wirkung vom 31.12.2015 kassiert.

Das Urteil ist abrufbar online. Zur rechtlichen Situation in Deutschland, das ebenfalls ein Verbot der gemeinschaftlichen Adoption durch eingetragene Lebenspartner kennt, bereits mehrfach hier im Blog: zum „ordre public“-Vorbehalt, zum Verbot und zu einer unzulässigen Richtervorlage.

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